Opferrechte / Verletztenbeistand
„Ich bin nicht allein“ – Opferrechte
Es gab einmal eine Zeit, da war das Opfer nicht nur durch eine Straftat geschädigt, sondern auch noch quasi, aber auch praktisch hilflos im Strafverfahren. Die Rolle des Opfers war auf die bloße Rolle des Zeugen beschränkt. Im Ermittlungsverfahren war das Opfer völlig allein gestellt und musste teilweise peinliche Befragungen über sich ergehen lassen.
Während der Beschuldigte regelmäßig frühzeitig einen Verteidiger mit seiner Interessensvertretung beauftragt, konnte das Opfer nur hilflos abwarten, bis es irgendwann zu einer Verhandlung vor Gericht kam und der Angeklagte verurteilt würde. Abgesehen davon hatte das Opfer bis dahin kaum eine Möglichkeit Informationen zu dem Verfahren zu erhalten.
Das hat sich nach einigen Reformen unserer Verfahrensvorschriften deutlich geändert. Es hat sich zum Guten gewandelt.
Jedes Opfer einer Straftat kann sich eines Anwaltes bedienen um zumindest rechtlichen Beistand zu erhalten.
Dies gilt unabhängig von der Frage, wie schwer oder welche Art von Straftat vorliegt. So kann der Anwalt als sogenannter Verletztenbeistand auch bei Vernehmungen des Opfers anwesend sein. Ebenso kann der Anwalt Akteneinsicht erhalten. Die Strafprozessordnung enthält also klare Regelungen zur Hilfe und Unterstützung des Opfers. Weitere Regelungen finden sich in der Strafprozessordnung.
I. Nebenklage
Neben den bereits o.g. angerissenen Möglichkeiten, ist die Erhebung einer Nebenklage gem. § 395 StPO eine der wichtigsten Bausteine bei einer aktiven Mitgestaltung des Strafverfahrens durch das Opfer zu nennen. Besonders ist darauf hinzuweisen, dass in bestimmten Konstellationen auch Angehörige von Opfern einer Straftat sich dem Strafverfahren im Rahmen einer Nebenklage anschließen können.
Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner von Personen die durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden können sich ebenfalls der Nebenklage anschließen dürfen.
Die Nebenklage ist im Grunde zunächst eine „einfache“ schriftliche Anschlusserklärung. Weitergehende Anträge sind nicht erforderlich. Stattdessen entscheidet das Gericht, ob ein Fall vorliegt, der zur Nebenklage berechtigt. Das Gericht prüft im Ergebnis das Vorliegen der Voraussetzungen des § 395 StPO. Liegen diese vor, wird die Nebenklage zugelassen.
Im Rahmen der Nebenklage können Sie nun aktiv das Strafverfahren mitgestalten. Sie sitzen neben dem Staatsanwalt und können Zeugen befragen, Anträge stellen und Erklärungen abgeben etc. (für mehr siehe § 397 StPO).
Der Gesetzgeber wollte die Rechte des Nebenklägers aber weiter stärken, indem er die Möglichkeit geschaffen hat, dass sich der Nebenkläger ebenfalls eines Anwalts mit seiner Interessensvertretung beauftragen kann. Dies ist in mehrerlei Weise sinnvoll. Wenn Sie nicht gerade selbst ein abgeschlossenes Jurastudium nebst erfolgreichem juristischem Referendariat abgelegt haben, dürfte es Ihnen schwerfallen die Ihnen zustehenden Rechte effizient wahrzunehmen.
Sie können daher auch einen Rechtsanwalt mit Ihrer Nebenklage betrauen. Da Sie aber die Nebenklage aus Gründen der Kostenlast für einen Anwalt scheuen könnten, sieht das Gesetz sogar Möglichkeiten vor, nach denen der Staat Ihnen zunächst quasi einen Anwalt bezahlt, bzw. in Vorleistung tritt.
In manchen Fällen sieht das Gesetz vor, dass dem Nebenkläger ein Anwalt „zu bestellen“ ist. Das bedeutet, dass Gericht ordnet dem Nebenkläger den Anwalt bei. Er ist sozusagen der „Pflichtverteidiger“, bzw. „Pflichtvertreter“ des Nebenklägers. Die Kosten des Anwalts werden vom Staat getragen. § 397 a Abs. 1 StPO enthält eine Aufzählung über Delikte bei denen dem Nebenkläger ein Anwalt beigeordnet wird.
Allerdings kann es sein, dass jemand Opfer einer Straftat wurde, welche zwar eine schwere Folge für den Betroffenen hatte, aber dieses Delikt nicht in § 397 a Abs. 1 StPO auftaucht. Beispielswiese findet sich die die gefährliche Körperverletzung nicht in dem Paragraphen. Die gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB kann aber extrem auf das Opfer einwirken und auch nach der eigentlichen Tat fortwirken. Körperlich als auch psychisch. Eine gefährliche Körperverletzung ist beispielsweise dann gegeben, wenn mehrere Beteiligte (zum Beispiel 4 Leute) auf eine Person eingeschlagen, bzw. eingewirkt haben.
§ 397 a Absatz 2 StPO bestimmt daher, dass in manchen Fällen dem Nebenkläger „Prozesskostenhilfe“ zu gewähren ist, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist.
Im obigen Prozess könnte sich das Opfer dann als Nebenkläger mit 4 Angeklagten und 4 oder mehr Verteidigern konfrontiert sehen. Leider wird das Argument der Waffengleichheit und einer damit verbunden Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Nebenkläger nicht befürwortet. Allerdings wird insbesondere dann, wenn der Nebenkläger – wie oben beschrieben – unter den Folgen der Tat nach wie vor leidet oder aus weiteren besonderen Gründen eine Gewährung der Prozesskostenhilfe und eine Beiordnung zu prüfen sein.
II. Adhäsionsverfahren
Als Opfer einer Straftat haben Sie regelmäßig Schmerzen oder Schaden erlitten. Wenn Sie hierfür Ersatz oder Entschädigung haben möchten, hätten Sie vor einigen Jahren noch ein mühseliges, separates Zivilverfahren anstrengen müssen. Diese Zeiten sind vorbei!
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit eröffnet Schmerzensgeldansprüche und Schadensersatzansprüche im Rahmen des Strafverfahrens geltend zu machen. Das Verfahren nennt sich Adhäsionsverfahren. Auch wenn es einen eigenen Namen dafür hat, findet keine gesonderte Gerichtsverhandlung dazu statt.
Über die geltend gemachten Ansprüche wird direkt in der Hauptverhandlung, also in der Strafverhandlung, verhandelt. Das Gericht kann am Ende der Hauptverhandlung den Angeklagten strafrechtlich verurteilen und sogleich noch (im Rahmen Ihres Adhäsionsantrages) verurteilen Schmerzensgeld etc. an Sie zu zahlen. Kostengünstig und schneller dürften Sie einen Titel wohl nicht erhalten.
Oftmals hört man von Kollegen, gerade von Kollegen mit Schwerpunkt im Zivilrecht, dass man kein Adhäsionsverfahren machen würde, weil man viel lieber im Zivilverfahren, vor einem Zivilgericht Klage einreichen möchte. Nachvollziehbar ist das nicht unbedingt. Es sind leider oft die gleichen Kollegen die kolportieren „Strafrecht kann jeder“ die bei diesem, eigentlich simplen Adhäsionsverfahren, welches dem eigenen Metier doch quasi entspricht, der Mut verlässt.
Diese Kollegen verkennen, den krassen prozessualen Unterschied zwischen dem Adhäsionsverfahren und dem Zivilverfahren, den ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen möchte. Für das Adhäsionsverfahren kann ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt werden.
Fakt ist: Nur in seltenen Fällen, sollte nach meiner Meinung ein separates Zivilverfahren über Schmerzensgeldansprüche etc. geführt werden.
III. Opferanwalt – ohne Nebenklage
Sofern die Voraussetzungen für den Anschluss der Nebenklage nicht vorliegen oder diese nicht gewünscht ist, kann das Opfer sich trotzdem eines Rechtsbeistandes bedienen. Der Anwalt wird als „Verletztenbeistand“ tätig. Er kann bei berechtigtem Interesse Akteneinsicht nehmen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn weitergehende zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Ferner ist es dem Verletztenbeistand gestattet an der Vernehmung seines Mandanten teilzunehmen.
Zur Beiordnung eines Rechtsanwalts oder der Gewährung von Prozesskostenhilfe wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter I. Nebenklage verwiesen.
IV. Zeugenbeistand
Nicht nur Opfer, sondern jeder Zeuge in einem Straf- oder Ermittlungsverfahren hat das Recht sich eines anwaltlichen (Zeugen)Beistands zu bedienen. Diesem Zeugenbeistand ist sogar gestattet bei Vernehmungen des Zeugen anwesend zu sein. Dies kann eine erhebliche Stütze in schwierigen, weil belastenden, Vernehmungen sein.
Dem Zeugen kann sogar ein Anwalt als Zeugenbeistand beigeordnet werden, sodass die Kosten des Beistands der Staatskasse zur Last fallen. Als krasses Beispiel hierfür seien Prozesse gegen Banden oder sog. Clans genannt. „Aussteigern“ oder ehemaligen Mitangeklagten oder Mitverdächtigen wird regelmäßig ein Zeugenbeistand zu bestellen sein.
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