
Haftaufschub: Ihre Chance auf Zeit – Voraussetzungen, Gründe und wie Sie ihn beantragen
Sie haben einen Haftbefehl erhalten oder sitzen Sie bereits in Haft? Das ist eine belastende Situation, die viele Fragen aufwirft. Eine davon könnte sein: Gibt es eine Möglichkeit, die Haftstrafe hinauszuzögern oder gar auszusetzen? Die Antwort lautet: Ja, unter bestimmten Voraussetzungen.
In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige zum Thema Haftaufschub, welche Gründe anerkannt werden und wie Sie Ihre Chancen auf einen Aufschub maximieren können.
Was genau ist ein Haftaufschub und warum ist er so wichtig?
Ein Haftaufschub ist eine vorübergehende Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. Das bedeutet, dass Sie Ihre Haftstrafe nicht sofort antreten müssen oder, falls Sie bereits inhaftiert sind, die Haft unterbrochen wird.
Der Haftaufschub ist in § 456 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt.
Warum ist das so wichtig? Ein Haftaufschub gibt Ihnen wertvolle Zeit, um dringende persönliche, familiäre oder berufliche Angelegenheiten zu regeln, bevor Sie Ihre Haftstrafe antreten oder fortsetzen.
Das kann zum Beispiel die Suche nach einer neuen Wohnung, die Sicherung Ihres Arbeitsplatzes oder die Organisation der Betreuung Ihrer Kinder sein. Ein abgelehnter Haftaufschub hingegen kann weitreichende negative Folgen haben – von finanziellen Schwierigkeiten bis hin zum Verlust von Wohnung und Arbeit.
Die Voraussetzungen: Wann wird ein Haftaufschub gewährt?
Nicht jeder Antrag auf Haftaufschub ist erfolgreich. Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Vollstreckungsbehörde (in der Regel die Staatsanwaltschaft) Ihrem Antrag zustimmt.
Das A und O: Die Wesenhaftigkeit – Was bedeutet das für Ihren Antrag?
Bevor wir uns den konkreten Gründen für einen Haftaufschub zuwenden, ist es entscheidend, ein zentrales Prinzip zu verstehen: die Wesenhaftigkeit.
Dieser Begriff ist der Dreh- und Angelpunkt Ihres Antrags und wird oft darüber entscheiden, ob Ihrem Anliegen stattgegeben wird oder nicht. Aber was verbirgt sich hinter diesem juristischen Fachausdruck?
Wesenhaftigkeit bedeutet im Kontext des Haftaufschubs, dass die Gründe, die Sie für eine vorübergehende Aussetzung Ihrer Haftstrafe anführen, von erheblichem Gewicht sein müssen.
Es geht nicht um bloße Unannehmlichkeiten oder Schwierigkeiten, die mit einem Haftantritt einhergehen – solche sind leider oft unvermeidlich. Vielmehr müssen die Umstände so schwerwiegend sein, dass sie eine unbedingte Notwendigkeit für einen Aufschub begründen.
Die Vollstreckungsbehörde wird genau prüfen, ob Ihre persönliche Situation durch den sofortigen Haftantritt in einer Weise beeinträchtigt würde, die als wesentlich einzustufen ist.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einer Waage:
Auf der einen Seite liegt das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Strafanspruchs, also daran, dass Sie Ihre Strafe antreten.
Auf der anderen Seite liegen Ihre persönlichen Belange und die Gründe, die Sie für einen Aufschub geltend machen. Nur wenn Ihre Gründe deutlich schwerer wiegen als das öffentliche Interesse, wird die Waage sich zu Ihren Gunsten neigen.
Es geht also darum, glaubhaft darzulegen, dass der Haftantritt zum jetzigen Zeitpunkt eine unzumutbare Härte für Sie darstellen würde. Das bedeutet, dass die Folgen des sofortigen Haftantritts Ihre Lebenssituation in einem Maße beeinträchtigen würden, das über das hinausgeht, was üblicherweise mit einer Haftstrafe verbunden ist.
Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn Ihre Gesundheit ernsthaft gefährdet wäre, Sie die Betreuung Ihrer Kinder nicht sicherstellen könnten oder Ihr Arbeitsplatz und damit Ihre finanzielle Existenz auf dem Spiel stünde.
Kurz gesagt:
Die Wesenhaftigkeit ist der Filter, durch den Ihr Antrag betrachtet wird. Je stichhaltiger und überzeugender Sie darlegen können, dass Ihr Fall diese hohe Hürde nimmt, desto größer sind Ihre Chancen auf einen erfolgreichen Haftaufschub.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Sie Ihre Gründe nicht nur benennen, sondern auch detailliert und mit entsprechenden Nachweisen belegen.
Anerkannte Gründe für einen Haftaufschub
Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit eine Reihe von Gründen anerkannt, die einen Haftaufschub rechtfertigen können.
Hier sind die wichtigsten:
1. Krankheit
Eine schwere Erkrankung, sei sie körperlicher oder psychischer Natur, kann ein triftiger Grund für einen Haftaufschub sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Haftunfähigkeit droht oder eine notwendige medizinische Behandlung oder Therapie in der Haftanstalt nicht gewährleistet werden kann. Auch Suchterkrankungen und die Notwendigkeit einer Entwöhnungsbehandlung können einen Aufschub begründen.
Wichtig: Legen Sie Ihrem Antrag unbedingt aussagekräftige ärztliche Atteste und Gutachten bei!
2. Familiäre Gründe
Auch familiäre Umstände können einen Haftaufschub rechtfertigen. Dazu zählen zum Beispiel:
-
- Die schwere Erkrankung oder der Tod eines nahen Angehörigen, der Ihre Anwesenheit erfordert.
- Besondere Betreuungspflichten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, die nicht anderweitig sichergestellt werden können.
- Wichtig: Belegen Sie die familiäre Situation durch entsprechende Dokumente (z.B. ärztliche Bescheinigungen, Geburtsurkunden, etc.).
3. Berufliche Gründe
Ein drohender Arbeitsplatzverlust oder die Gefährdung eines wichtigen beruflichen Projekts können ebenfalls einen Haftaufschub begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Ihre berufliche Existenz auf dem Spiel steht.
Wichtig: Fügen Sie Ihrem Antrag eine Stellungnahme Ihres Arbeitgebers bei, aus der die Bedeutung Ihrer Anwesenheit für das Unternehmen hervorgeht.
4. Wohnungssituation
Wenn Ihnen durch den Haftantritt der Verlust Ihrer Wohnung droht oder Sie dringend eine neue Wohnung suchen müssen, kann auch dies ein Grund für einen Haftaufschub sein.
Wichtig: Belegen Sie Ihre Bemühungen um eine neue Wohnung (z.B. durch Schriftverkehr mit Vermietern, Wohnungsbaugesellschaften, etc.).
5. Sonstige schwerwiegende Gründe
Neben den genannten Gründen können auch andere schwerwiegende Umstände einen Haftaufschub rechtfertigen. Hier kommt es immer auf den Einzelfall an.
6. Sonderfall Corona
Die Corona-Pandemie hat in einigen Fällen zu besonderen Regelungen geführt. Ob und inwieweit dies aktuell noch relevant ist, sollten Sie im Einzelfall prüfen lassen.
Wann ist ein Haftaufschub ausgeschlossen?
Es gibt auch Situationen, in denen ein Haftaufschub in der Regel nicht gewährt wird. Dazu gehören:
-
- Fluchtgefahr: Wenn die Gefahr besteht, dass Sie sich der Strafvollstreckung entziehen, wird ein Haftaufschub in der Regel abgelehnt.
- Wiederholungsgefahr: Wenn die Gefahr besteht, dass Sie während des Haftaufschubs erneut Straftaten begehen, wird ein Antrag ebenfalls meist abgelehnt.
- Missbrauch: Wenn der Antrag auf Haftaufschub offensichtlich nur dazu dient, die Strafvollstreckung zu verzögern, wird er abgelehnt.
Der Antrag: So gehen Sie vor
1. Wer ist zuständig?
Über Ihren Antrag auf Haftaufschub entscheidet die Vollstreckungsbehörde. In der Regel ist das die Staatsanwaltschaft, die für die Vollstreckung des Urteils zuständig ist.
2. Form und Inhalt des Antrags
Der Antrag auf Haftaufschub muss schriftlich gestellt werden. Er sollte folgende Punkte enthalten:
-
- Ihre persönlichen Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum)
- Das Aktenzeichen des Verfahrens
- Eine ausführliche Begründung, warum Sie einen Haftaufschub benötigen (siehe oben genannte Gründe)
- Belege, die Ihre Gründe untermauern (z.B. ärztliche Atteste, Schreiben des Arbeitgebers, etc.)
- Gegebenenfalls: Antrag auf aufschiebende Wirkung (siehe unten)
3. Fristen und Häufigkeit
Es gibt keine gesetzliche Frist, innerhalb derer Sie den Antrag stellen müssen. Es ist jedoch ratsam, den Antrag so früh wie möglich zu stellen, idealerweise vor dem eigentlichen Haftantrittstermin.
Wie oft Sie einen Haftaufschub beantragen können, ist gesetzlich nicht geregelt. Allerdings sinken die Chancen auf Erfolg, wenn Sie wiederholt Anträge ohne neue, stichhaltige Gründe stellen.
4. Aufschiebende Wirkung
In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, zusammen mit dem Antrag auf Haftaufschub auch einen Antrag auf aufschiebende Wirkung zu stellen. Das bedeutet, dass die Vollstreckung der Haftstrafe ausgesetzt wird, bis über Ihren Antrag entschieden wurde. Ob ein solcher Antrag Aussicht auf Erfolg hat, hängt vom Einzelfall ab.
Was passiert nach der Antragstellung?
Nachdem Sie Ihren Antrag eingereicht haben, prüft die Vollstreckungsbehörde Ihre Unterlagen. Gegebenenfalls werden weitere Ermittlungen angestellt oder Gutachten eingeholt.
Sie werden dann über die Entscheidung informiert – entweder wird Ihrem Antrag stattgegeben oder er wird abgelehnt.
Haftaufschub abgelehnt – was nun? Ihre Handlungsoptionen
Die Ablehnung Ihres Antrags auf Haftaufschub ist zweifellos eine enttäuschende Nachricht. Es bedeutet jedoch nicht, dass Sie keine weiteren Möglichkeiten haben. Im Gegenteil: Es gibt verschiedene rechtliche Schritte, die Sie unternehmen können, um gegen die Entscheidung vorzugehen.
1. Die Beschwerde: Ihr erster Schritt zur Überprüfung
Der wichtigste Rechtsbehelf gegen die Ablehnung eines Haftaufschubs ist die Beschwerde. Sie ermöglicht eine Überprüfung der Entscheidung durch eine höhere Instanz.
Was ist zu tun?
Die Beschwerde muss schriftlich bei der Stelle eingelegt werden, die den ablehnenden Bescheid erlassen hat – in der Regel ist das die Staatsanwaltschaft.
Frist:
Beachten Sie unbedingt die Frist! Die Beschwerde muss innerhalb einer bestimmten Frist (meist zwei Wochen) nach Zustellung des ablehnenden Bescheids eingelegt werden. Die genaue Frist finden Sie in der Rechtsbehelfsbelehrung, die dem Bescheid beigefügt ist. Versäumen Sie diese Frist, wird die Ablehnung bestandskräftig.
Zuständigkeit:
Über die Beschwerde entscheidet in der Regel das Landgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft liegt.
Begründung:
Es reicht nicht aus, einfach nur „Beschwerde“ einzulegen. Sie müssen ausführlich begründen, warum Sie die Entscheidung für fehlerhaft halten. Gehen Sie auf die Argumente der Ablehnung ein und legen Sie dar, warum diese aus Ihrer Sicht nicht zutreffen oder unzureichend sind. Fügen Sie gegebenenfalls neue Beweismittel oder Unterlagen bei, die Ihre Argumentation unterstützen. Es ist sehr zu empfehlen, sich bei der Formulierung der Beschwerde anwaltlich beraten und unterstützen zu lassen.
Weitere Rechtsmittel: Wenn die Beschwerde nicht ausreicht
In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, über die Beschwerde hinaus weitere Rechtsmittel in Betracht zu ziehen.
Antrag auf gerichtliche Entscheidung:
Wenn die Staatsanwaltschaft auch nach Ihrer Beschwerde bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt, können Sie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Damit wird das Gericht angerufen, um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu überprüfen.
Wichtig: Auch hier gelten Fristen und Formvorschriften, die Sie unbedingt beachten sollten. Lassen Sie sich unbedingt anwaltlich beraten, ob ein solcher Antrag in Ihrem Fall sinnvoll und erfolgversprechend ist.
Das Gnadengesuch: Eine Option in besonderen Ausnahmefällen
Das Gnadengesuch ist ein Rechtsbehelf, der nicht auf eine rechtliche Überprüfung der Entscheidung abzielt, sondern auf eine Billigkeitsentscheidung der zuständigen Gnadenbehörde.
Was ist das?
Ein Gnadengesuch ist ein Gesuch an die zuständige Behörde (je nach Bundesland unterschiedlich), die Vollstreckung der Strafe aus besonderen, außergewöhnlichen Gründen zu erlassen, auszusetzen oder abzuändern.
Wann ist es sinnvoll?
Ein Gnadengesuch ist nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgversprechend, wenn besondere persönliche Umstände vorliegen, die eine Vollstreckung der Strafe als unzumutbare Härte erscheinen lassen, die bei der ursprünglichen Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnten.
Verfahren:
Das Verfahren ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Informieren Sie sich bei der zuständigen Gnadenbehörde über die genauen Voraussetzungen und Formalitäten.
Haftbefehl außer Vollzug setzen lassen: Eine weitere Möglichkeit
Unter Umständen kann es eine Option sein, den Haftbefehl, der der Vollstreckung zugrunde liegt, außer Vollzug setzen zu lassen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Haftbefehl noch nicht vollstreckt wurde.
Was bedeutet das?
Wenn ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird, bedeutet das, dass er vorläufig nicht vollstreckt wird. Sie müssen also nicht (oder nicht sofort) ins Gefängnis.
Voraussetzungen:
Die Voraussetzungen hierfür sind streng. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass Sie sich der Strafvollstreckung nicht entziehen werden und auch keine Wiederholungsgefahr besteht.
Anwaltliche Hilfe:
Die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls ist eine komplexe Angelegenheit, die unbedingt in die Hände eines erfahrenen Rechtsanwalts für Strafrecht gehört.
Fazit – Holen Sie sich rechtlichen Rat!
Ein Haftaufschub ist eine komplexe Angelegenheit. Die Rechtslage ist nicht immer einfach zu durchschauen, und die Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall ab. Zögern Sie deshalb nicht, sich anwaltliche Hilfe zu suchen. Ein erfahrener Rechtsanwalt für Strafrecht kann Sie umfassend beraten, Ihren Antrag prüfen und optimieren und Sie im Beschwerdeverfahren vertreten.
Unsere Kanzlei ist unter anderem auf Strafrecht spezialisiert und verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der Strafvollstreckung. Wir stehen Ihnen gerne zur Seite, prüfen Ihre Erfolgsaussichten auf einen Haftaufschub und unterstützen Sie bei der Antragstellung. Kontaktieren Sie uns für ein vertrauliches Beratungsgespräch. Wir nehmen uns Zeit für Ihr Anliegen und finden gemeinsam mit Ihnen die beste Lösung.
Häufig gestellte Fragen
Wie beantrage ich einen Haftaufschub?
Stellen Sie einen formlosen, aber schriftlichen Antrag bei der zuständigen Strafvollstreckungsbehörde (i.d.R. die Staatsanwaltschaft).
Wie lange dauert die Bearbeitung meines Antrags?
Das ist unterschiedlich und hängt von der Komplexität des Falles ab.
Kann ich einen Anwalt mit der Antragstellung beauftragen?
Ja, das ist sogar sehr empfehlenswert! Ein erfahrener Anwalt für Strafrecht kennt die Rechtslage und kann Ihre Chancen auf einen Haftaufschub erheblich verbessern.
Muss man für den Anwalt etwas bezahlen?
In den seltensten Fällen wird in diesem Verfahrensabschnitt ein Pflichtverteidiger bestellt. Sie müssen daher davon ausgehen, den Verteidiger selbst zu zahlen.

Sie brauchen einen Haftaufschub?
Lassen Sie sich nicht beiiren und nehmen Sie gerne zu mir, Sven Karsten, Kontakt auf.
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